U. v. Beckerath, ...

15. XI. 1955.

Ihr Brief vom 12./13., eingegangen heute.

 

      Lieber Herr Dr. Runge,

 

was die Erlaubnis zum Zirkulieren-lassen von Goldmuenzen anlangt so scheint mir ein wesentlicher Gesichtspunkt zu sein: Ist der Vorteil fuer Deutschland erheblich groesser als der Nachteil und - - in der gegenwaertigen Situation - - ist insbesondere der militaerische Vorteil gross genug, um die bestehenden Verbote aufzuheben? Seit vielen Jahren bin ich der Meinung, dass beide Fragen mit  ja  zu beantworten sind. In diesen Jahren hatte ich viele Diskussionen mit Leuten, die darueber ganz anderer Meinung waren als ich, die ich aber deswegen nicht als dumm oder unwissend ansehen kann, denn die Betr. hatten auf ihrem Gebiet immerhin etwas geleistet. Wenn ich am Ende der Diskussioen bei meiner Meinung blieb, so geschah das aus folgenden Gruenden:

      1.) Die Betr. gingen auf meine Argumente nicht ein, sondern erklaerten mir u.a.:

 

a.) die Banken, die doch von Fachleuten geleitet werden, sind Gegner einer Erlaubnis, die Werte an Goldmuenzen zu messen oder gar Goldmuenzen als Zahlungsmittel zu benutzen, vor allem ist auch die Bank deutscher Laender dieser Ansicht.

b.) "Goldmuenzen sind eine juedische Erfindung zum Zweck der Versklavung der Welt und insbesondere Deutschlands, das weiss doch jeder!"

c.)  "Wir haben doch gar kein Gold!".

 

      2.) Alle meine Diskussionsgegner und alle in der Literatur hervorgetretenen Feinde eines  Goldmuenzumlaufs verwechselten die Goldmuenze und ihre kommerziellen sowie ihre volkswirtschaftlichen

Eigenschaften mit dem Rechtsanspruch der Glaeubiger auf Goldmuenzen.

Wenn ich diesen Umstand geltend zu machen versuchte, so kriegte ich zu hoeren: ich moechte mich gefaelligst nicht in Abstraktionen verlieren, sondern "auf der Erde bleiben" und die Praxis nicht vergessen.

 

      Auf 1 a erwiderte ich, dass die monetaeren Meinungen der Banken, einschliesslich der Zentralnotenbank waehrend der Inflation sich als 100 %-iger Unsinn erwiesen haetten. Sogar als der taegliche Neudruck von Noten mehr als 30 Milliarden betrug, hat keine der grossen Banken gemeint, das koennte doch nicht so weiter gehen, sondern verlangte die Weiterbenutzung der Papiermark als Zahlungsmittel und alle  fanden, dass dies gerade zu Inflationszeiten die erste Buergerpflicht sei.

      Es wuerde mich freuen, wenigstens von einem der Redner auf den Bankiers-Kongressen seit 1914 und bis heute eine Auesserung entgegengehalten zu bekommen, aus der sich ergibt, dass der Betr. die Geldtheorie beherrscht. Wer die Geldtheorie beherrscht muss z.B. angeben koennen, wie man in der Praxis eine Inflation (das Wort im Sinne von 1913 genommen) abstoppt und durch Stabilitaet der Waehrung (das Wort im Sinne von 1913 genommen) ersetzt. Er muss auch angeben koennen, wie man durch Gebrauch inflationssicherer Zahlungsmittel es verhindert, dass ein Land wie Deutschland nicht - - wie 1932 - - bei vollen Scheunen hungert und dazu ueber 7 Millionen Arbeitslose hat, obwohl Maschinen im Ueberfluss da sind, ein unermesslicher Bedarf da ist, alle Arbeitslosen  bereit sind, nuetzliche oder doch begehrte Waren herzustellen, und  last not least die Rohstoffbesitzer bereit sind, auf Zahlung in Devisen zu verzichten, die Waehrung irgend eines anderen Landes, insbesondere auch des Importlandes, als Zahlungsmittel anzunehmen, und die Rohstoffe so etwa zum halben Preis des Standes vor der Krisis zu liefern. Das Problem ist offenbar ein Zahlungsproblem und erfordert daher die Konstruktion eines zweckentsprechenden Zahlungsmittels.

 

      Auf 1 b erwiderte ich nach dem 31.1.1933 natuerlich vorsichtshalber nichts, vorher erwiderte ich - -  na - - Sie wissen ja, was hier zu erwidern ist.

 

      Auf 1 c erwiderte ich, dass dieser Umstand ja schon 1913 bestand und 1000 Jahre vorher, aber nicht verhindert hat, dass Deutschland fast das goldreichste Land der Welt wurde, auch sonst fast in jeder Beziehung das erste Land der Welt war und bestaendig fortschritt.

 

      Zu 2.) erwiderte ich, dass die Beseitigung des Rechtsanspruchs der Glaeubiger auf Goldmuenzen schon seit 1914 in fast allen Laendern durchgefuehrt ist, Saudi-Arabien ausgenommen, die Moeglichkeit daher nicht bestritten werden kann.

Sowie der Rechtsanspruch aufgehoben ist, ist die Menge der zirkulierenden oder der gehorteten Goldstuecke gleichgueltig.

In Anbetracht aber, dass noch nie ein Mensch sich im Ernst fuer geschaedigt gehalten hatm wenn er in Gold bezahlt wurde, sondern allenfalls volkswirtschaftliche (und vorurteilsvolle! - J.Z.) Bedenken gehabt hat, sehe ich eigentlich kein Hindernis, Goldstuecke seitens der Schuldner aufdraengbar (nach Rittershausen's Ausdruck) zu machen. Es sollten also z.B. Lohnempfaenger zwar keine Goldstuecke fordern duerfen, die Arbeitgeber sollten aber das Recht haben, in Goldstuecken zu zahlen.

      Ich muss aber zugeben, dass heute manche Leute sogar religioese Bedenken haben, ein Goldstueck auch nur anzufassen. Daher waere ich damit einverstanden, dass ein Glaeubiger Goldstuecke zurueckweisen darf, wenn er sich rechtzeitig ueber das von ihm gewuenschte Zahlungsmittel erklaert.

Das waere die gleiche Rechtslage wie sie vor dem 1.1.1910 in bezug auf Reichsbanknoten bestand. Die hatten bis dahin keinen Zwangsumlauf, waren aber ein verkehrsuebliches Zahlungsmittel, so dass nach § 242 BGB und § 157 BGB der Glaeubiger sie nicht im Augenblick der Zahlung zurueckweisen konnte. Offenbar hatte aber der Glaeubiger das Recht, sich rechtzeitig vorher ueber das von ihm gewuenschte Zahlungsmittel zu erklaeren. Zu einer Reichsgerichtsentscheidung darueber ist es nicht gekommen, da bis 1914 die  Reichsbanknoten einloesbar waren, die Frage der Annahmepflicht also keine praktische Bedeutung hatte.

      Was den Goldmarkt anbetrifft, so ist die heute an jedem Goldmarkt bestehende Unterscheidung  zwischen dem Preis fuer Goldbarren und dem fuer Goldstuecke beachtlich. In Deutschland kostet nach der letzten mir zugegangenen Nachricht ein Goldstueck von 20 Mark: 42 Papiermark. Ein 20-Markstueck enthaelt genau 7,1686 Gramm Feingold, so dass hiernach 1 Grammm Feingold in Muenzform DM 5,85 kostet. In Barrenform kostet Feingold nach der "Welt" pro Gramm DM 4,95, wenn der Barren 50 Gramm oder weniger wiegt. (*) (*) (Einige Korrekturen, im naechsten kurzen Brief, sind zu beachten!!! - J.Z., 3.11.03.) In Paris und im Orient war der Unterschied zwischen Barrenpreis und Muenzpreis bis zu 40 %. Kein Wunder!  Mit der Goldmuenze kann man auch heute noch - - zahlen, mit dem Barren nicht.

      Vor 1914 konnte der Preisunterschied zwischen Barren und Muenzen nie gross sein, denn die Muenzstaetten waren ja verpflichtet, Barren zum Umpraegen anzunehmen.

      Fuer ein Land mit wirklich freiem Goldmarkt und freier Auspraegung von Goldbarren ist die Beschaffung von Gold noch nie ein Problem gewesen. Das Gold stroemt dahin, wo es die groesste Kaufkraft ausueben kann, es sei denn, das Gold wird mit Gewalt daran gehindert. Aber, die Gewalt ist nicht leicht auszuueben. Sie haben ja wohl vor 2 oder vor 3 Jahren gelesen, dass die Goldbergwerke Suedafrikas und die Australiens dem International Monetary Fund erklaerten: Wir koennen nicht verhindern, dass ein Teil unseres Goldes zum freien Markt abstroemt.

 

      Was bedeutet das nun fuer Deutschland? Wenn die Goldbesitzer, ohne die deutschen Gesetze fuerchten zu muessen, ihr Gold nach Deutschland bringen duerfen, es hier umpraegen lassen duerfen, es auch frei uebertragen duerfen, so ist es unvermeidlich, dass sie ihr Gold lieber nach Deutschland bringen, als anderswohin, wo solche facilities nicht bestehen. Ferner, ein so hoch industrialisiertes Land wie Deutschland produziert zahlreiche Artikel, die hier billiger sind als anderswo. Das ist ein zweiter Grund, weshalb Gold nach allen Regeln der Volkswirtschaftslehre nach Deutschland stroemen muss und wird, um eben die billigen Artikel zu kaufen. Ferner - - und nun wird die Sache militaerisch - - die zahlreichen, wohlhabenden Leute in Russland, in den Satellitenstaaten und in China (jawohl, die gibt es - - lesen Sie die Berichte aus Moskau gerade aus den letzten Wochen) die haben zur Zelt nur wenig Moeglichkeiten, ihren Reichtum sicher und vor allem auch wertbestaendig anzulegen. Edelsteine, Seide, andere Kostbarkeiten ersetzen das Gold schlecht. Wuerde aber nun auch noch die Emission etwa von Gold-Pfandbriefen, Gold-Obligationen, etc. erlaubt, so wuerden auch die gerade von den "Bjelo-Rukij" (Wisshaendchen") des Ostens gekauft werden. Was waere die Auswirkung?

      Sie kennen die Geschichte Venedigs zur Zeit des Sultans Soliman "des Praechtigen".

 

Venedig war damals im Krieg mit dem Sultan, und seine Galeeren halfen die Schlacht bei Lepanto gewinnnen. Aber Soliman konnte es nicht erreichen, dass seine Kriegsmacht sich unmittelbar auf Venedig zu bewegte. Die tuerkischen Galeeren waren nicht an den venezianischen Hafen heranzubringen, und die Heere drangen zwar siegreich bis nach Wien vor, aber das fuer den Sultan viel wichtigere Venedig liessen sie links liegen. Schliesslich geschah es sogar, dass die schweren tuerkischen Schiffsgeschuetze abmontiert wurden und als Belagerungsgeschuetze in der Landarmee dienten. Aehnliches haben wir ja auch im 1-sten Weltkrieg erlebt. Der Sultan wurde trotz seiner gewaltigen Siege misstrauisch, konnte aber nichts sagen, denn alle gegen Venedig unterlassenen Massnahmen wirkten sich guenstig bei der Landarmee aus. Kurz vor seinem Tode entdeckte er aber das Bestehen unterirdischer Beziehungen zwischen der tuerkischen Prominenz und den Venezianern. Die Heerfuehrer behaupteten, sie haetten versucht, die Venezianer von ihrem Buendnis mit Spanien zurueckzubringen, und - - tatsaechlich - - kurz nach Lepanto schloss Venedig einen Separatfrieden mit dem Sultan, allen Buendnisvertraegen zum Trotz. Don Juan d'Austria liess empoert die venetianische Flagge auf allen Schiffen entfernen.

      Die eigentlichen Zusammenhaenge kamen nach dem Tode Soliman's heraus. Fast alle hohen, tuerkischen Beamten hatten Depots bei venezianischen Kaufleuten, bei der Bank oder sogar beim Senat.  Venedig hatte seit langem ein Gesetz, wonach Depots auch in Kriegszeiten unverletzlich waren, selbst wenn sie feindlichen Untertanen gehoerten. Also: Wenn auch der Kapudan-Pascha sich bei Lepanto als tapferer Seemann bewaehrte, auch sonst die venetianische Seemacht nicht schonte, aber mit seiner Flotte nach Venedig gehen, wo seine und seiner Offiziere Schaetze lagen und die vieler Paschas, das machte er denn doch nicht. Und dass Venedig das Gesetz ueber die Depots und sogar die Guthaben von Auslaendern, einschliesslich feindlicher, streng beobachtete (sollte es heissen: "beachtete"? - J.Z.) das hatte Venedig in vielen Kriegen bewiesen. Ich vermute, dass auch das Scheitern der Liga von Cambrai gegen Venedig mit dem Depotgesetz zusammenhing. Ehrlichkeit ist auf die Dauer doch ein gutes Geschaeft.

 

      Glauben Sie, dass Deutschland vom Osten angegriffen wird, wenn Deutschland aehnliche Gesetze einfuehrt, wie s. Zt. Venedig? Heute haette Deutschland es leichter als Venedig es frueher hatte, denn solche Gesetze werden eigentlich geradezu durch die Haager Landkriegsordnung gefordert. Auch entsprechen sie guter, deutscher Tradition.

Beispiele: Vertrag Friedrichs II. mit den USA ueber den Schutz des Privateigentums. Verhalten Preussens im Krieg von 1792 gegen Frankreich. Die Guthaben der Franzosen blieben erhalten. Aehnlich war es im Preussisch-Oesterreichischem Krieg von 1866. Sie erinnern sich an "Minna von Barnhelm". Das Guthaben des preussischen Majors Tellheim wird von Sachsen anerkannt. (Sachsen galt 1763 nicht etwa als besiegt. Der Hubertusburger Friede war ein Verstaendigungsfriede.) Ich vermute, dass sich noch sehr viele aehnliche Beispiele auffuehren liessen.

Wir sind gewohnt, immer nur an das Gold zu denken und vergessen, das im Osten das Silber immer noch ein geschaetztes Edelmetall ist, und Silbermuenzen ueberall, wo sie erlaubt sind, Kaufkraft ausueben. Ich meine hier nicht die Zwangskurs-Platten mit 50% Kupferzusatz.

      Nehmen wir an, dass die Auspraegung von Silbermuenzen in Deutschland freigegeben wird.

(Kupferzusatz zum Edelmetall ist - - wie der gewiss sachverstaendige Roscher bemerkt, ueberfluessig.) Silbermuenzen wie der alte Trade-Dollar waeren das Richtige, heute etwa eine Muenze von 25 Gramm Feinsilber mit passenden Unterteilungen.

      Nun stellen Sie sich vor, eine russische oder eine polnische Armee verbuendet sich mit deutschen Staedten oder deutschen Heeresgruppen. Die russische Armee wuenscht, um die Stimmung ihrer Soldaten nicht zu beeintraechtigen, sie mit Silbermuenzen zu besolden. Nehmen wir an, die Armee zaehle ein Million Mann und im Durchschnitt komme eine Muenze von 25 Gramm Feinsilber taeglich auf den Kopf. Koennte Deutschland der Armee das Silber etwa vorstrecken?

Ein Kilo Feinsilber kostet z.Zt. nicht ganz DM 130.- Eine Million kg kostet daher (theoretisch) 130 Millionen DM. Dass beim Ankauf groesserer Mengen etwas andere Preise gelten als heute, wo ja nur relativ kleine Mengen umgesetzt werden, soll mal vorlaeufig ausser Betracht bleiben. Ein Kilo pro Mann reicht auf 40 Tage aus. Man erkennt schon aus dieser kleinen Ueberschlagsberechnung, dass die Entlohnung einer grossen, russischen Armee in Silber finanziell sozusagen ein Klacks ist. Man muss sich nur rechtzeitig darauf vorbereiten, auch dafuer sorgen, dass die russischen Soldaten in deutschen Laeden ohne Schwierigkeit mit Silbermuenzen Waren kaufen koennen. Parallelwaehrung - - deren Wesen Sie im Handwoerterbuch der Staatswissenschaften nachzulesen belieben. Wie gering die Schwierigkeiten einer Parallelwaehrung sind, zeigt sich taeglich in Berlin; alle groesseren Laeden nehmen Ostmark zum Tageskurs in Zahlung. Stoerungen ergeben sich nicht. Wuerde der Senat erklaeren: auch wir nehmen die Ostmark an; der Kurs wird allmonatlich neu festgesetzt, so waere die Hemmung noch geringer.

      Will man die Verkaeuferinnen erst bei Ausbruch des Krieges umschulen, so koennte es zu spaet sein. Das ist sehr wesentlich und nur eine Anwendung des uralten, militaerischen Grundsatzes: Was im Frieden nicht geuebt wird, klappt nicht im Kriege. Schade, das Holzhauer nicht sein ganzes Manuskript zum Druck freigekriegt hat. Ueber Parallelwaehrung im Kriege hatter er ein sehr schoenes Kapitel geschrieben. Aber, vielleicht haben Sie auf dem Gebiet eigne Erfahrungen. Beim Einmarsch in Belgien waren viele deutsche Truppen mit Goldstuecken deutschen Gepraeges versehen und bezahlten damit. Die Belgier, so fanatisch sie im uebrigen waren, begriffen sehr rasch.

(J.Z.: In der Hoffnung, dass Holzhauer's Buchmanuskript mehr enthalten wuerde als die gedruckte Ausgabe, hatte ich auch sein Manuskript verfilmt. Aber, anscheinend, habe ich mir nur das Manuskript zur gedruckten Ausgabe verschaffen koennen. Wenigstens konnte ich keinen offensichtlichen Unterschied damals feststellen. - Vielleicht existiert noch irgendwo ein vollstaendiges Manuskript? - J.Z., 3.11.03.)

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      Welche Gruende haben Sie nun noch gegen die Zulassung eines Muenzumlaufs beliebiger Auspraegung in Deutschland und sogar einer Preisfestsetzung in den Laeden in verschiedenen Waehrungen, Papier, Gold und Silber?

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      Eine Edelmetallwaehrung, bei welcher das Volk nie Edelmetallmuenzen zu sehen kriegt, kann sich auf die Dauer nicht halten; sie geht am (berechtigten) Misstrauen des Volkes zugrunde. Jeder Arbeiter muss das Recht haben, mit seinen Papierscheinen zum Edelmetallmarkt zu gehen und hier auszuprobieren, welches der Metallwert seines Papiers ist, nicht nur durch hoefliche Anfrage, sondern durch realen Umtausch. Das  bringt Vertrauen und auf die Dauer nur das.

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      Goldhypotheken. Seite 2, oben, Ihres Briefes.

 

      Dass in Klamaukzeiten wie in denen von 1945 bis heute der Wert aller Sachwerte gegenueber dem Wert aller anderen Sachwerte und gengenueber dem Wert von Waehrungseinheiten bestaendig schwankt und erheblich, das liegt - - meiner Meinung nach - - im Wesen der Sache, war nie anders und wird, selbst wenn Silvio Gesell siegt, schwerlich jemals anders sein. Die oft veraenderten prozentualen Belastungen sind zwar ein Uebel, aber ein unvermeidliches.

      Man koennte, wie es tatsaechlich nach 1919 versucht wurde, mehr Stabilitaet hineinbringen, wenn man etwa vereinbarte: Die Belastung soll betragen so und so viel Gramm Gold, hoechstens aber so und so viel Kilo Roggen (Schlusskurs an der Berliner Boerse am Faelligkeitstage, oder Durchschnitt der letzten X Schlusskurse) und wenigstens so und so viel. Aber, je mehr Komplikationen man in einen Vertrag hineinbringt, desto mehr schwache Stellen hat er fuer findige Rechtsanwaelte. Kommt hinzu, dass die Richter sich nur sehr schwer in monetaere Bestimmungen hineindenken, auch - - von der Universitaet her - - eine Mentalitaet haben, auf Grund welcher sie eine andere Wertfestsetzung als die Papierwaehrung als unpatriotisch ansehen. In Frankreich hat man das Gleiche beobachtet.

      Eine Wertbestaendigkeitsbestimmung gleicht einem erdbebensicheren Bau in Japan, in Peru oder in Java. Es gibt aber Erdbeben, bei denen doch alles durcheinanderfaellt. Damit muss man sich abfinden. Beseitigen wir die oekonomischen Erdbeben. (J.Z.: So weit wie moeglich, insbesondere die kuenstlichen und anti-oekonomischen Erdbeben! - J.Z., 3.11.03.)

 

Religion.  Da ich schon auf der 5-ten Seite angelangt bin, so werde ich mir erlauben. auf diesen Gegenstand erst      in meinem naechsten Brief zurueckzukommen, insbesondere auf das, was Kant unter dem "moralischen Gesetz" versteht.

 

Entwicklung Frankreichs nach 1792. Ohne den von den Girondisten mit Leichtsinn entfesselten Krieg waere die Geschichte Frankreichs ganz anders und sehr viel besser verlaufen. Erst recht gilt Entsprechendes von der Geschichte Deutschlends und Europas. Napoleon, der 2 Millionen Franzosen umbrachte und an 3 Millionen Nicht-Franzosen, war ein Weltunglueck. Da stimmen wir ganz ueberein.

 

General Kluge. Ihre Mitteilungen waren mir sehr interssant und neu. Ich werde versuchen, mich mit Kluge zu beschaeftigen. Das Material ist allerdings schwer zugaengig.

 

Amerika's ueberschuessige Lebensmittel. Sie haben wohl gelesen, dass die amerikanische Regierung einen zwar hoechst einfachen aber fuer unsere Zeit doch genialen Ausweg gefunden hat, um die Lebensmittel abzusetzen: sie erlaubt, die Lebensmittel in der Waehrung des Importlandes zu bezahlen. Es ist nun Sache der amerikanischen Kaufleute, die erhaltene Waehrung anzukaufen und damit in den Importlaendern wie Deutschland, Griechenland, etc. recht billig einzukaufen. Kaufleute schaffen leicht, was Regierungsbeamten unmoeglich scheint. Vermuten tue ich ja, die USA-Regierung wird die Waehrung der Importlaender auf Eis legen, damit sie nur ja keinen Import nach den USA ausloesen. Den fuerchten die Amerikaner sehr. Kaeme in der Praxis auf die von Ihnen gewuenschte Umwandlung gewoehnlicher Devisen in langfristige Anleihen hinaus.

 

Toilettenberg. War mir ganz neu!!!

                                         Mit bestem Gruss   gez.: U. v. Beckerath.

 

 

 

 

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First published in: Ulrich von Beckerath: Zur Freiheit, zum Frieden und zur Gerechtigkeit; Gesammelte Briefe, Papiere, Notizen, Besprechungen. PEACE PLANS 428-467 (Mikrofiche), Berrima, Australia, 1983. Pages 3335-3338.